Sky is the limit? Warum manche Ziele Prioritäten sein müssen.

Alle Jahre wieder, vor allem im Januar, erlebt die Fitnessbranche einen Andrang „motivierter“ Menschen, die das kommende Jahr zu ihrem Jahr machen möchten. In Zeiten in denen aufgrund der fortschreitenden Technisierung und der damit einhergehenden Bewegungsarmut körperliche Betätigung in der Freizeit nicht mehr länger nur eine Option, sondern die Pflicht eines jeden verantwortungsbewussten Menschen ist, raffen sich immer mehr dazu auf, ihren Hintern ins Fitnessstudio zu schleppen. Die Fitnessbranche boomt seit Jahren und kein Ende ist in Sicht. Wir haben uns – bis auf wenige Berufsgruppen – mehr oder weniger aller körperlicher Arbeit entledigt und müssen uns nun „künstlich“ beschäftigen, um nicht völlig zu verloddern und gesundheitliche Probleme zu riskieren.

Ich arbeite seit über 10 Jahren in dieser Branche und genauso zuverlässig wie der Neujahrsrun einsetzt, so hört er spätestens ab Mitte März auch wieder auf.  Ich meine damit nicht nur, dass der Run auf die Studios, Clubs und CrossFit Boxen verebbt, sondern auch, dass gefühlt 8 von 10 Neueinsteigern in der Versenkung verschwinden. Hatten die nicht alle große Pläne? Hatten die sich nicht alle fest vorgenommen, dass jetzt alles anders wird??

Nun, im Kursbetrieb geht der Einzelne da mal unter, besonders, wenn er oder sie sich nur einige Male zeigen. Im Personal Training hingegen habe ich da oftmals einen besseren Einblick ins Scheitern…

Es kommen hier z.T. gestandene Unternehmer und Manager hochambitioniert ins Training. Sie haben zumeist klare Vorstellungen davon, was sie wollen – nur eben kaum eine Vorstellung davon, was es braucht, um diese Ziele zu erreichen. Wahrscheinlich geblendet von teils gefakten, teils durch Einsatz von leistungsfördernden Drogen erzeugten Ergebnissen oftmals Prominenter, geht so mancher mit der Idee an die Sache, es würde sich beim nachhaltigen Optimieren der Leistungsfähigkeit und des Aussehens um eine Art „Projekt“ handeln, also einen Vorgang auf Zeit. Möglichst wenig Zeit natürlich. So nach dem Motto „ich investiere jetzt mal ein paar Euros und 2, 3 Stunden pro Woche und vollziehe dann die Transformation eines Christian Bale, der sich innerhalb weniger Monate von abgemagerten 60 auf über 100 muskelbepackte Kilos gebracht hat (Der Schauspieler Bale war mit den 60kg allerdings stark untergewichtig und hatte sich hierhin für eine Rolle gehungert.). So funktioniert das aber nicht.

Spätestens wenn ich beginne, die Sache mit der Ernährung zu thematisieren, stoße ich auf erste Widerstände. Ich habe manchmal wirklich das Gefühl, die Leute sind mir persönlich böse, weil ich ihnen sage, wie es ist. Ich meine dann deutlich zu spüren, dass sie versuchen, das Gespräch so hin zu drehen, dass ich mich am Ende beinahe dabei erwische, ihnen bzgl. Ihrer faulen Kompromiße zuzustimmen. Es ist ein bisschen so, als würde man einem kleinen Kind vor einer ekelhaften Zahn-OP versuchen vorzuflunkern, dass es schon so schlimm nicht werden wird. Ich bemühe mich mittlerweile sehr, immer bei den Tatsachen zu bleiben. Es macht absolut keinen Sinn, jemandem vorzugaukeln, einen Körperfettwert unter 10% (und den braucht man, wenn das berühmte Six Pack sichtbar sein soll) könne man erreichen, indem man sich kein Salz mehr auf`s Ei streut.

Wenn dann realisiert wird, dass das Training nur ein Teil der Gleichung ist und es letztlich auf einen 24/7 Einsatz hinaus läuft, dann verlässt viele sehr schnell die Lust. Aus anfänglicher Euphorie wird Genörgel, es werden Schuldige gesucht (Personen und Umstände) und schließlich hat man sich die unbequeme Wahrheit so zurecht gebogen, dass man das ganze Vorhaben einigermaßen ruhigen Gewissens ausschleichen lassen kann.. Ja, ich glaube wirklich, so ungefähr läuft das ab. Nur ein kleiner Prozentteil der freudigen Beginner erklimmt das next Level.

Ich als Coach habe den Bauplan und leite an, gebaut werden muss aber selbst. Wenn man im Personal Training oder in einer CrossFit Box trainiert, dann hat man schon mal einen gesetzten Termin. Das ist viel Wert. Ich denke, deshalb ist die Wahrscheinlichkeit hier dabei zu bleiben auch signifikant höher, als im klassischen Fitnessstudio. Letztlich braucht es aber auch in einer CrossFit Box die Eier immer wieder zu kommen. So eine echte Veränderung macht sich nicht nebenher, dazu ist Fokus und Priorisierung notwendig.

Ich rate überdies dringend dazu, die eigenen Ambitionen mit der Realität abzugleichen. Es mag schon sein, dass man gerne den Körper eines Rich Froning oder einer Lauren Fisher haben möchte, jedoch muss einem klar sein, dass diese Ausnahmeathleten quasi kaum etwas anderes tun, als trainieren. Ich wäre auch gern unternehmerisch und wirtschaftlich so erfolgreich wie Steve Jobs, bin aber nicht bereit 16 Stunden am Tag zu arbeiten und alles andere um mich herum auszublenden. In beiden Fällen läuft es auf das Selbe hinaus – kennst Du wirklich den Preis für Deine Idealvorstellung und bist Du bereit ihn zu zahlen?

Es ist absolut möglich eine Menge zu erreichen, auch für den „Normal-Menschen“ mit 40h Stelle, vielleicht noch einer Familie und Freunden außerhalb des Gyms oder der Box. Nur braucht es a) seine Zeit und b) auch die gewisse Konsequenz.

Bevor Du nun los rennst und Dir vornimmst, in  sechs Monaten, ach was in drei, 10kg mehr Muskeln und 10kg weniger Fett zu haben, beantworte Dir ehrlich folgende Fragen:

  • Möchtest Du bis auf sehr wenige Ausnahmen auf Alkohol, Partynächte, Süßkram (inkl. solcher Getränke), Weißgebäck und Knabberzeugs langfristig und dauerhaft verzichten?
  • Siehst Du Dich imstande mindestens 4x / Woche mindestens 60min lang hart zu trainieren? Ja? Hast Du auch die An- und Abfahrt bedacht? Umziehen, duschen usw. Dein Training wird Dich sicherlich 3 Stunden kosten..
  • Kannst Du es organisieren jede Nacht mindestens 7h guten Schlaf zu bekommen?
  • Wird Dir Dein Training und Deine Ernährung wichtiger sein, als beim nächsten Schlemmer-DVD-Abend mit Deinen Freunden teilzunehmen?
  • Bist Du bereit all dies den Rest Deines Lebens durchzuziehen?

Wenn Du auch nur 2 der obigen Fragen mit „nein“ beantwortest, dann kannst Du Dich – sofern Du als Kind nicht in den Zaubertrank gefallen bist – vom He-Man Körper verabschieden. Ja, das ist ganz einfach die Wahrheit.

Macht es nun überhaupt Sinn Sport zu treiben?? Na klar!! Jeder Mensch profitiert von regelmäßigem Training. Gesundheitlich, mental und natürlich auch optisch. Es fühlt sich einfach extrem gut an leistungsfähig zu sein.. und es sieht auf jeden Fall viel besser aus, als als Couch Potatoe rum zu rollen, auch ohne 7% Körperfett.

Ziele setzen ist eine gute Sache. Noch besser ist es, wenn diese Ziele auch realistisch sind. Ich weiß, es heißt überall „Sky is the limit“ und das ist auch nicht ausgeschlossen, aber erstmal kann man sich doch grundsätzlich auf den Weg machen, dann einen Hügel besteigen, später einen Berg angehen und irgendwann ist man dem Himmel dann tatsächlich ein gutes Stück näher.

In diesem Sinne, auf bald im Training!

Coach Nico

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